Die Aufgabe der Erzieher ist es, die Eltern in ihrer pädagogischen Funktion zu unterstützen. Das Leben im Waldorfkindergarten ist gekennzeichnet von einem geregelten Tagesablauf und einem Jahresrhythmus, der von Festen begleitet wird. Neben dem Freispiel werden auch Haus- und Pflegearbeiten, handwerkliche und künstlerische Tätigkeiten mit den Kindern durchgeführt.
Die Gliederung des Tages
Kinder im ersten Jahrsiebt, also bis sieben Jahre, können sich noch nicht so gut in der Zeit zurechtfinden. Vergangenes ist immer gestern und Zukünftiges immer morgen. Der Tagesablauf soll dem Kind helfen, sich zu orientieren. Jeder Tag hat einen bestimmten Charakter, es wird gemalt, Brot gebacken oder die Eurythmiestunde findet statt.
Der Morgen beginnt meist 7:30 Uhr und die Kinder haben bis 9:15 Uhr Raum für die Freispielzeit. Da können sie tun, wozu sie gerade Lust haben. Am Ende des Freispieles wird gemeinsam aufgeräumt. Die Erzieher fangen an, ihren Arbeitsplatz aufzuräumen. Weil das Nachahmen das Typische für das erste Jahrsiebt ist, müssen die Kinder nicht aufgefordert werden, es wird ihnen durch die Bezugspersonen, also den Eltern und ErzieherInnen, vorgelebt. Danach werden die Hände gewaschen und der Tisch für das Frühstück gedeckt. Bevor das Frühstück beginnt, versammeln sich die Kinder zum Morgenkreis. Es wird zusammen gesungen und Verse aufgesprochen, die zum jahreszeitlichen Geschehen passen. Der Erzieher sollte sich um eine ruhige Stimmung bemühen, da die Kinder dem folgen werden. Nach dem Frühstück ist noch mal Zeit bis 11:30 Uhr für freies Spielen. An bestimmten Tagen findet nach dem Frühstück das Malen mit Wasserfarben oder die Eurythmie statt. Bevor die Kinder nach Hause gehen, treffen sie sich noch einmal in einem Kreis und verabschieden sich.
Der Jahresrhythmus
Das Jahr im Kindergarten wird bestimmt durch die Jahreszeiten und die damit verbundenen Feste. Eingeleitet wird das Jahr mit dem Erntedankfest. Die Kinder tragen die Gaben der Natur, wie Äpfel, Kastanien und bunte Blätter, zusammen und stellen sie auf den dafür vorbereiteten Erntetisch. Mit Liedern, Versen und Reigen drücken sie ihre Dankbarkeit gegenüber der Natur aus. Zu dieser Zeit lernen sie auch die Berufe vom Bauern, Müller und Bäcker kennen.
In der Michaelizeit wird über den Drachenkampf und die Überwindung dunkler Mächte durch das Lichtschwert des Geistes gesprochen. Am Abend des Martinstages tragen sie Laternen, um das Thema nachzuempfinden.
Die folgende Adventszeit wird sehr ruhig gestaltet. Die Kinder basteln viel und bereiten sich auf den Heiligen Abend in der Familie vor.
Im kalten Januar bestimmt das verborgene Geschehen unter der Erde den Jahreszeitentisch. Edelsteine, Zwerge, Kobolde und Kristalle spielen jetzt eine große Rolle. Die Kinder lieben diese Zeit besonders, weil sie in sich selbst auch verborgenes Schaffen und Gestalten wahrnehmen.
Die folgende Zeit ist von ausgelassener Fröhlichkeit geprägt, es ist Fasching. Neben Kasper mit seinen Scherzen und Sprüchen wird auch die alte Bedeutung des Faschings, die Vertreibung der Wintergeister und Kobolde, behandelt. Im Reigenspiel wird der Freude Ausdruck verliehen.
Wenn der Winter besiegt ist sät jedes Kind in einer Schale Ostergras an, und beobachtet, wie es gedeiht. Auch das langsame Gedeihen von Schneeglöckchen und Krokussen wird mit Aufmerksamkeit verfolgt. Im Osternreigen wird die Freude über den wiederkehrenden Frühling gezeigt. Auf diese Weise wird den Kindern das Auferstehungswunder nahegebracht, ohne dass christliche Inhalte angesprochen werden.
Im Frühjahr steht mit dem Pfingst-Geschehen steht die Tier- und Pflanzenwelt im Mittelpunkt. Es werden Tiere beobachtet und selbst gebastelt.
Im Sommer wird das Johannifest gefeiert. Mit vielen Tänzen und Liedern wird die Sommersonnenwende zelebriert. Es ist zugleich der Höhepunkt des Kindergartenjahres. Die Schulkinder werden in die Schule verabschiedet und man freut sich auf ein Wiedersehen im kommenden Herbst, wenn eine neues Kindergartenjahr beginnt.
Neben den Festen zu den Jahreszeiten wird von der Geburtstag von jedem Kind gefeiert. Es steht an diesem Tag im Mittelpunkt, bekommt eine Krone auf und einen Geburtstagskuchen.
Künstlerische Beschäftigung
Der Kindergartenalltag ist durch künstlerisches Tun aller Art gekennzeichnet. Das Kind kann nach eigenen Ideen und Fähigkeiten gestalten, wobei es mehr auf den Prozess des Entstehens, als auf das Ergebnis, ankommt.
Wie schon erwähnt, werden an bestimmten Tagen bestimmte Arbeiten getan, an denen sich das Kind zeitlich orientieren kann. Auch das Malen mit Wasserfarben findet an einem bestimmten Tag statt. Es wird angeleitet durch die ErzieherIn. Sie bereitet das Papier und die Farben für die Kinder vor. Es wird mit drei Grundfarben, am Anfang mit einer, gemalt. Während die Kinder sich auf das Malen konzentrieren, erzählt die ErzieherIn eine “Malgeschichte”, die zu den Farben passt. Sie dient zur Vermittlung der geistigen Qualität der Farben, neben den sinnlichen Farbeindruck. Sie kann zum Beispiel über die gelbe Sonne, das blaue Meer oder die roten Äpfel erzählen.
Außer dem Malen wird auch der Jahreszeitentisch gemeinsam gestaltet, das Märchenwolle-Bild erstellt, es wird im Reigen gesungen, das Brot gebacken und der Raum für ein Fest gestaltet. Auch die Eurythmie lernen die Kinder schon kennen.
Darüber hinaus können die Kinder mit Knetbienenwachs Dinge formen, um zu erleben, wie ein hartes Wachs in ihren Händen weicher und formbarer wird. Ungesponnene Schafwolle wird durch wiederholtes Zupfen und Übereinanderlegen gestaltet und mit richtigen Werkzeugen können die Kind Holz bearbeiten. Wichtig für die künstlerische Arbeit ist die Gestaltung eines Gegenstandes aus einem Objekt, es wird nie etwas aus Einzelteilen zusammengefügt.
Alle Arbeiten lernen die Kinder durch das Nachahmen von ihrer ErzieherIn.
Der Kindergartenraum und das Spielzeug
Die Wände in den Räumen sind nach Rudolf Steiners Angaben gestaltet. Es wurde mit einer lasierenden Maltechnik in einem kräftigen Pfirsichblüten-Ton gestrichen, um den Wänden einen lebendigen Ausdruck zu verleihen. Zur Erinnerung an die geistige Herkunft des Kindes befindet sich in jedem Waldorfkindergarten eine Sixtinische Madonna mit vielen schwebenden Kinderköpfen an der Wand. Der Jahreszeitentisch ist typisch für die herrschende Jahreszeit und das Fest gestaltet. Ein Bild aus bunter ungesponnener Schafwolle, das die ErzieherIn mit den Kindern gestaltet, zeigt Elemente der herrschenden Jahreszeit oder eines Märchens.
Ein großer Unterschied zu anderen Kindergärten besteht in der Gestaltung des Spielzeuges. Die Spielsachen in einem Waldorfkindergarten bestehen nur aus natürlichen Materialien, die in ihrer Form und Oberflächenbehandlung so ursprünglich, wie möglich sein sollten. Technisches Spielzeug und Lernspiele werden ganz abgelehnt. Die Werkzeuge, die die Kinder in der Küche, im Garten oder in der Werkstatt brauchen, sind Werkzeuge, wie die Erwachsenen sie haben.